Heisses Treiben am Zurich Film Festival | WOZ Die Wochenzeitung

2022-10-01 15:10:10 By : Ms. Selina Bie

Lungere ja sonst ganz gern ab und zu in Kinos herum. Immer schön dunkel dort, und meist ist auch mehr als genug Platz da, seit der Pandemie sowieso. Rudelbildung unter Menschen ist nicht so meins, das macht mich schnell nervös. Dieses Zurich Film Festival macht mich darum auch latent aggressiv. Blitzlicht erst recht. Und wer sich berufshalber darin sonnt, ist mir prinzipiell suspekt. Corine Mauch auf dem grünen Teppich mit Ignazio Cassis, nachdem dieser ein paar Tage zuvor noch mit dem russischen Aussenminister in die Kamera gestrahlt hatte? Bleibt mir weg damit.

Oder diese Schnösel neben mir im Saal. Das ganze Jahr durch sind sie daheim nur am Streamen, aber wenn das ZFF seine Teppiche ausrollt, schnüffeln sie dann doch mal ein bisschen am Arthouse. Und bevor der Film anfängt, wettert einer noch über die angeblich so unhöflichen Leute, die Schlange stehen hinterm Kino Kosmos. Junge, hast du nicht gemerkt, dass diese Menschen nicht für irgendwelche Promis anstehen, sondern für Essen? Dass in Zürich auch Leute leben, die nicht mal Geld fürs Essen haben: In der Welt, wo du lebst, kannst du dir das wohl nicht vorstellen, was?

Zum Glück laufen eben auch Filme am Festival. Obwohl sich unsereiner auch da öfter mal darüber wundert, was diese Menschen so treiben. Das französische Ehepaar Katia und Maurice Krafft zum Beispiel im Dokumentarfilm «Fire of Love». Zeitlebens trieben sich die beiden auf heisser Erde herum, um Vulkane zu erforschen. Wahnsinn, die Bilder von Glut und Asche, die sie dabei aufgezeichnet haben. Aber wie man ein Leben lang für die Wissenschaft buchstäblich am Rande des Abgrunds tanzen kann: Keine Ahnung, was die geritten hat.

Apropos reiten. Auch im Schweizer Film «99 Moons» bebt hin und wieder die Erde, aber hier wohl mehr als Metapher für eine hemmungslose Liebe. Die flammt immer wieder sehr explizit auf, zwischen einer jungen Forscherin (schon wieder!) und einem räudigen Partyhipster. Also ja, sie treibens dann überall: im Parkhaus, im Auto, in einer Telefonkabine, auf dem Küchenboden. Und auch wenn sich ihre Wege immer wieder trennten, blieben sie doch läufig. «Amour fou» sagen die Menschen dem, wenn sie sich kultiviert geben wollen. Aber wie soll ich sagen, die Vulkane waren heisser.

Hinterhältiger beobachtet keiner: Der Wolf Lonely Lurker schleicht im «Zoo» auf woz.ch jeder Fährte nach.

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